Aktionsbündnis #RLPbewegtwas fordert zum deutschen Erdüberlastungstag eine Ernährungswende
Seit dem 2. Mai leben wir in Deutschland ökologisch gesehen auf Kredit: Der deutsche Erdüberlastungstag markiert den Zeitpunkt im Jahr, an dem weltweit das jährliche Budget an nachhaltig nutzbaren Ressourcen und ökologisch verkraftbaren Emissionen aufgebraucht wäre, wenn die gesamte Weltbevölkerung so leben und wirtschaften würde wie wir in Deutschland. Die Weltbevölkerung bräuchte dann über drei Erden. Deutschland liegt mit seinem Pro-Kopf-Verbrauch und seinen Emissionen im obersten Viertel aller Länder.
Anlässlich des Erdüberlastungstags fordert das Aktionsbündnis „Rheinland-Pfalz bewegt was“ die Bundes- und Landesregierung auf, die Weichen zu stellen für eine Ernährungswende. „In Deutschland tragen vor allem die hohen Treibhausgas-Emissionen zur Überlastung der Erde bei – neben den Bereichen Strom und Verkehr betrifft das vor allem die industrielle Landwirtschaft“, erläutert Edda Treiber von der Lokalen Agenda 21 Trier e.V. und Sprecherin des Aktionsbündnisses. Laut Weltklimarat ist die Art und Weise wie wir uns ernähren und Landwirtschaft betreiben für bis zu 37% aller Treibhausgasemissionen verantwortlich.
In den vergangenen Wochen hat das Bündnis Forderungen für eine Ernährungswende von Initiativen und Organisationen aus ganz Rheinland-Pfalz gesammelt. Diese wurden als VIDEOBOTSCHAFT am 2. Mai an Klimaschutzministerin Katrin Eder übergeben. Für die HfGG waren HfGG-Mitarbeiterin Lisanne Rother und BA-Studentin Anne-Ly Redlich dabei. „Es ist höchste Zeit für eine Ernährungswende. Sie ist ein wesentlicher Schritt, um die Klimaziele zu erreichen“, so Michael Ullrich vom BUND Landesverband Rheinland-Pfalz und ergänzt: „Unser Ernährungssystem muss sich grundlegend ändern. Hierfür braucht es vor allem strukturelle Veränderungen, die von der Politik vorangetrieben werden müssen.“
Gerade Kommunen könnten mit einem guten Beispiel vorangehen. Denn sie erteilen jährlich öffentliche Aufträge in Milliardenhöhe für Lebensmittel, Arbeitskleidung und IT-Produkte. „Menschenwürdige Arbeitsbedingungen dürfen bei Beschaffungen der öffentlichen Hand nicht in Frage stehen! Dies gilt insbesondere auch für Lebensmittel. Dafür müssen die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen verbindlich geregelt und glaubwürdige Produkte, wie z.B. aus dem Fairen Handel bevorzugt werden“, so Erik Dolch vom Entwicklungspolitischen Landesnetzwerk Rheinland-Pfalz e.V.
Klimaschutzministerin Katrin Eder verweist auf die Verantwortung der Konsumentinnen und Konsumenten: „Wir können unseren persönlichen CO2-Fußabdruck durch einen klimafreundlichen Ernährungsstil deutlich verringern: vor allem, wenn wir weniger tierische Lebensmittel konsumieren und außerdem ökologisch, regional und saisonal erzeugte sowie gering verarbeitete Produkte kaufen. Mit dem Kochbus und anderen Programmen, wie Rheinland-Pfalz is(s)t besser, zeigen wir, wie das gelingen kann – und zwar mit Genuss. Denn Essen ist weit mehr als gesundheitsförderliche Ernährung: Es ist ein Stück Kultur. Essen schafft eine Verbindung zur Region, zur Natur und zu den Menschen, die die Lebensmittel herstellen und hat einen Einfluss darauf, wie sich das Klima verändert. Dazu gehört auch, dass wir Lebensmittelverschwendung weitgehend vermeiden. Gerade im Bereich der Abfallvermeidung besteht noch ein sehr hohes Potential zur Ressourcenschonung und damit auch zum Klimaschutz.“
Daniela Gottschlich, Professorin für Nachhaltigkeit und Gesellschaftsgestaltung an der HfGG und Leiterin des ÖNG-Masterstudiums unterstützt zwar diese Perspektive – „zu einer nachhaltigen Ernährung gehört für mich, deutlich weniger tierische Produkte zu konsumieren und mehr Nahrungsmittel nach Prinzipien des ökologischen Landbaus herzustellen.“ Allerdings brauche es mehr als individuelle Verhaltensänderungen: „Es geht um strukturelle Veränderungen, die notwendig sind und um nachhaltige Zukunftserzählungen.“ Das unterstützt auch Jana Bocklet – Bachelorstudentin an der HfGG und Teil des Studierendengemeinschaft für Gesellschaftsgestaltung e.V., die übrigens ihr Obst und Gemüse über eine SoLaWi (solidarische Landwirtschaft) beziehen: „Als Hochschule mit wirtschaftlichem Schwerpunkt sehen wir besonders in der Forderung zur Änderung des Steuerkurses für Lebensmittel einen Hebel für die Gestaltung einer gerechten Ernährungswende. Dabei sprechen wir uns für eine Senkung der Merhwertsteuersätze pflanzlicher Alternativen von aktuell 19% auf den ermäßigten Steuersatz von 7% für Grundnahrungsmittel aus.“
Die Übergabe des Videos fand in der IGS Mainz-Bretzenheim statt, ein Ort, an dem die Transformation des Ernährungssystems durch die schuleigene 100%-Bio-Mensa bereits gelebt wird.
Konkret fordert das Aktionsbündnis von der Landes- und Bundesregierung:
Zukunftsfähiges Essen für Alle
Angebot ökologischer, regionaler, saisonaler und fair produzierter Lebensmittel erhöhen, pflanzenbetonte Ernährung stärken und Verpackungsmüll reduzieren.
Essen wertschätzen
Lebensmittelverschwendung in privaten Haushalten reduzieren sowie auch in Deutschland gesetzliche Regelungen für Supermärkte und öffentliche Einrichtungen einführen, die die vollständige Verwertung und Weitergabe von Lebensmittel erleichtern.
Tierwohl stärken
Die Fleischabgabe umsetzen, die steuerliche Begünstigung tierischer Produkte beenden, zum Beispiel durch Senkung der Mehrwertsteuer für pflanzliche Produkte sowie Landwirte beim Umbau der Tierhaltung unterstützen.
Bewusstes Einkaufen leicht gemacht
Verpflichtende und anspruchsvolle Label, die Transparenz ermöglichen und Greenwashing verhindern, für die Bereiche Klima, Tierwohl, Arbeitsbedingungen und Gesundheit stärken.
Fruchtbare Böden als wichtige Grundvoraussetzung für qualitativ hochwertiges Essen, Klima-, Wasser- und Artenschutz sowie als Kohlenstoffspeicher begreifen
Anbaufläche des ökologischen Landbaus bis 2030 auf 30 Prozent erhöhen (vgl. Bio-Strategie des BMEL).
Öffentliche Gemeinschaftsverpflegung als Vorbild
Qualitätsstandards für die Gemeinschaftsverpflegung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. anwenden und den Einsatz von Bio-Lebensmitteln erhöhen.
Globale Verantwortung wahrnehmen
Die ILO Kernarbeitsnormen bei der öffentlichen Beschaffung von Lebensmitteln einhalten und Produkte aus fairem Handel bevorzugen.
Bildung für eine zukunftsfähige Ernährung
Ernährungsbildung in allen Bevölkerungsgruppen in den Fokus stellen.
Ernährungsdemokratie stärken
Ernährungsräte und andere regionale Initiativen, wie zum Beispiel solidarische Landwirtschaften und foodsharing-Organisationen, gezielt fördern.
Zum Hintergrund:
Das Global Footprint Network berechnet jedes Jahr den Tag, an dem die Erdüberlastung erreicht ist (Earth Overshoot Day). Dabei werden zwei rechnerische Größen gegenübergestellt: zum einen die biologische Kapazität der Erde zum Aufbau von Ressourcen sowie zur Aufnahme von Müll und Emissionen, zum anderen der Bedarf an Wäldern, Flächen, Wasser, Ackerland und Lebewesen, den die Menschen derzeit für ihre Lebens- und Wirtschaftsweise haben. Neben dem globalen Erdüberlastungstag werden auch die Länderspezifischen Erdüberlastungstage errechnet.
Im Aktionsbündnis RLP bewegt was haben sich verschiedene Umwelt- und Bildungsorganisationen sowie kirchliche Gruppen zusammengeschlossen. Das Aktionsbündnis wird koordiniert von der Eine Welt-Fachpromotorin für Umwelt und Entwicklung in Rheinland-Pfalz. Sie vernetzet Akteur:innen der entwicklungspolitischen Inlandsarbeit und unterstützen bürgerschaftliches Engagement durch Beratungs- und Koordinationsangebote. Als Referentin und Expertin für das Thema „Ernährungsräte“ war sie zweimal zu Gast an der HfGG im Rahmen der Initiative Ernährungswende in der Region Koblenz.
Das Aktionsbündnis „Rheinland-Pfalz bewegt was“:
Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Rheinland-Pfalz
Bund der Deutschen Katholischen Jugend Diözesanverband Mainz
Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland – Landesverband Rheinland-Pfalz e.V.
BUNDjugend Landesverband Rheinland-Pfalz e.V.
Bürgerinitiative Energiewende Mainz
Entwicklungspolitisches Landesnetzwerk Rheinland-Pfalz (ELAN) e.V.
Evangelisches Dekanat Mainz
Greenpeace Trier
Haus Wasserburg
Hochschule für Gesellschaftsgestaltung
Jugendzentrum „Auf der Höhe“ Trier
Katholische Hochschulgemeinde Landau
Kolpingwerk Diözesanverband Mainz
Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz
Lokale Agenda 21 Trier e.V.
Naturschutzbund Mainz und Umgebung e.V.
Naturschutzjugend Rheinland-Pfalz
Palais e.V.
Scientists for Future Regionalgruppe Trier
UrStrom BürgerEnergieGenossenschaft Mainz eG
Verkehrsclub Deutschland (VCD) Landesverband Rheinland-Pfalz e.V.
Weltladen-Dachverband e.V.