Mit dem For-Future-Bündnis Zukunftsnarrative für die Klimagerechtigkeitsbewegung entwickeln
Am ersten Märzwochenende versammelten sich rund 20 Vertreter:innen verschiedener For-Future-Gruppierungen sowie der Klimagerechtigkeitsbewegung nahestehende Personen zu einem zweitägigen Workshop mit uns an der Hochschule für Gesellschaftsgestaltung in Koblenz. Auf dem Programm stand nichts weniger als ein 4FutureLab zur Frage, wie die Klimagerechtigkeitsbewegung neue, wirksame Zukunftsnarrative entwickeln und strategisch nutzen kann. Der Workshop wurde von den studentischen Mitarbeitern Paul Kühn und Simon Völker moderiert. Die Idee dazu entstand auf dem FFF-Sommerkongress im September 2023, bei dem wir als HfGG bereits mit 4FutureLab-Workshops vertreten waren, um der Bewegung weitere Werkzeuge für die sozial-ökologische Transformation an die Hand zu geben.
Nach einem lockeren Kennenlernen am Vorabend begann der inhaltliche Einstieg am Samstag mit einer Rückschau auf als besonders positiv empfundene persönliche Vergangenheitsmomente, in denen die Teilnehmenden Selbstwirksamkeit in ihrem bisherigen Engagement erfahren hatten. Anschließend wurden daraus Gelingensbedingungen und Erkenntnisse für die zukünftige Arbeit in der Bewegung identifiziert und gesammelt. Ziel war es, sich von Beginn an mit der eigenen positiven Motivationskraft zu verbinden sowie ein lösungsorientiertes und weniger problemorientiertes Denken in die Zukunft hinein zu erproben. Beide Aspekte sollten im weiteren Verlauf des Workshops eine wichtige Rolle spielen.
Wir warfen einen anekdotischen Blick auf bestehende Erzählungen über die Zukunft innerhalb der Bewegung, um dominante Zukunftsnarrative zu identifizieren und zu analysieren. Dabei wurde deutlich, dass die Klimagerechtigkeitsbewegung bisher vor allem durch die Benennung von Missständen und Problemen, wie der sich anbahnenden Klimakrise sowie deren Ursachen und Verantwortlichen erfolgreich war. Dieses Warnen vor der Katastrophe kann nach dem Narrationsforscher Michael Müller (2020) als Contra-Narrativ bezeichnet werden, da es sich auf negative Aspekte fokussiert und sich das vermittelte Zukunftsbild lediglich durch die gewünschte Abwesenheit von Klimaungerechtigkeit auszeichnet. Seine These, die im Workshop aufgegriffen wurde, lautet: Während es elementar wichtig ist, auf die drängenden Probleme hinzuweisen, ist die Wirkung solcher negativ ausgerichteten Erzählungen allein begrenzt und kann sogar kontraproduktiv sein, wenn sie zu Resignation, Verdrängung oder gar Zukunftsängsten führt.
Als gemeinsame Zielsetzung für den Rest des Workshops galt daher das Entwickeln positiver Zukunftsnarrative, die über die bloße Abwesenheit von Klimaungerechtigkeit hinausgehen.
Diese sogenannten Pro-Narrative stellen die Vision einer wünschenswerten Zukunft in den Mittelpunkt, in der die Klimakrise und deren Folgen erfolgreich bewältigt wurden und eine gerechtere und nachhaltigere Welt entstanden ist. Die darin vermittelten positiven Zukunftsbilder dienen nicht nur als Motivation und Inspiration, sich für Klimagerechtigkeit einzusetzen, sondern sie helfen auch dabei, die eigene Vision für eine sozial-ökologische Transformation zu schärfen, intern wie extern zu kommunizieren sowie zielgerichtet zu handeln. Dabei geht es nicht um ein „Schön-Reden“ der Zukunft. Es geht darum, das Potenzial aus der Auseinandersetzung mit möglichen und erstrebenswerten Zukünften zu entfalten, statt sich lediglich an aktuellen Prognosen für erwartbare oder wahrscheinliche Zukünften auszurichten.
Doch wie kommen wir vom problemzentrierten Denken zum Formulieren realisierbarer Utopien? Inspiration bot der Impulsvortrag von Nina Treu, die aus ihrer Zeit beim Konzeptwerk Neue Ökonomie e.V. berichtete und Einblicke in den partizipativen Prozess zum Entwurf einer vielschichtigen Zukunftsvision für das Jahr 2045 im Rahmen des Buchprojekts „Zukunft für Alle“ gab. Anschließend fanden unter der Mitwirkung von Prof. Dr. Silja Graupe verschiedene Methoden aus den an der HfGG konzipierten 4FutureLabs Anwendung, um sich der persönlichen sowie gesellschaftlichen Zukünfte bewusster zu werden.
Neben intuitiv angelegten Körper- und Imaginationsübungen luden auch analytische Zugänge zum Arbeiten an und mit Zukunftsbildern ein. Zentral hierbei war die Methode „Causal-Layered Analysis“ (CLA), die hilft, bestehende Zukunftsbilder in ihrer Komplexität zu dekonstruieren, um daraufhin neue transformative Geschichten zu entwerfen. Als Basis für diesen Schritt dienten die zuvor gesammelten Zukunftsnarrative aus der Bewegung.
Am Folgetag wurde die Auseinandersetzung mit positiven Zukunftserzählungen in Gruppenphasen intensiviert. Diese fokussierten sich auf einzelne Narrative, wobei die Teilnehmenden ihre eigenen Erfahrungen mit strategischer Kommunikation verbunden, um wirksame Narrative zu entwerfen. Anschließend wurden die Ergebnisse zusammengeführt und in der Gesamtgruppe diskutiert. Trotz der anfänglichen Herausforderung vom gewohnten Denken und Kommunizieren in Contra-Narrativen abzuweichen und stattdessen neue, positive Zustände zu imaginieren, entstanden hierbei hilfreiche Ideen und Impulse für die Kommunikation einzelner Themenbereiche.
Den Abschluss des Workshops bildeten eine Feedbackrunde sowie das Sammeln der Wünsche für die Aufarbeitung der Ergebnisse. In einem digitalen Follow-Up soll diskutiert werden, wie die Erkenntnisse und erlernten Methoden in die Breite der Bewegung getragen und dort in die kontinuierliche Bewegungsarbeit integriert werden können.
Insgesamt war die Veranstaltung ein voller Erfolg und bot eine wertvolle Austauschmöglichkeit für die verschiedenen For-Future Gruppen. Die Teilnehmenden konnten mit viel Inspiration und einem erweiterten Verständnis für die Bedeutung positiver Zukunftsnarrative in ihre jeweiligen Gruppen zurückkehren. Die HfGG bedankt sich für das Engagement der Aktivist:innen für eine lebenswertere Welt, wünscht viel Kraft für die anstehenden Aufgaben und freut sich auf weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit der Klimagerechtigkeitsbewegung.
Literatur:
Müller, M. (2020): Politisches Storytelling. Wie Politik aus Geschichten gemacht wird. Köln: Herbert von Halem.