Erfolgreiche Kooperationsveranstaltung zu Queeren Theorien mit der Universität Koblenz
„Stone Wall was a riot!“ – so der Sozialwissenschaftler Mike Laufenberg von der Universität Jena im Rahmen seines Gastvortrags am Abend des 06.02.2024 in unserem Bistro auf Einladung der Institute für Kulturwissenschaft und Soziologie der Universität Koblenz in Kooperation mit der Hochschule für Gesellschaftsgestaltung. Mitgebracht hatte Mike sein neues Einführungsbuch „Queere Theorien“ (Junius Verlag), das nach kurzer Zeit bereits vergriffen war und nun in der zweiten Auflage erschienen ist. Zwischen hitzigen und oftmals wenig informierten Debatten über All-Gender-Toiletten und Sprachpolitik wird oft übersehen, dass die Queer Studies seit Mitte der 1990er Jahre als akademische Disziplin international etabliert sind. Ihre Theorien befassen sich mit den komplexen Verflechtungen, die zwischen Sexualitäts- und Geschlechternormen und Kultur, Politik und Gesellschaft bestehen. In zahlreichen Studien und Publikationen wird gezeigt, dass Sexualität und Geschlecht im Kontext von Kapitalismus, Nationalstaat, Rassismus oder Kolonialismus auf jeweils bestimmte Art und Weise diszipliniert und geformt werden.
Nach einer Begrüßung der gut 70 Besucher:innen durch Prof. Daniela Gottschlich (HfGG) zeigte sich die Queerbeauftragte der Stadt Koblenz – Patricia Pederzani – in ihrem Grußwort begeistert davon, wie viele Menschen sich in Koblenz und Umgebung für Queere Theorien und Gender Studies interessieren. Gerade in Zeiten, so Patricia, in denen v.a. rechte und rechtspopulistische Akteur:innen versuchen, die queere Community zu denunzieren, unsichtbar zu machen oder zum Feindbild zu erklären und Fake-News verbreiten, sei es umso wichtiger, dem entschieden und mit informierten und guten Argumenten entgegenzutreten.
Mike Laufenberg begann seinen anschließenden Vortrag mit der Frage nach der Aktualität des „queeren Moments“. Diesen verortet er historisch im Jahr 1993 rund um die Veröffentlichungen der US-amerikanische Theoretikerin Eve Kosovsky Sedgwick, die „queer“ als Begriff gegen dessen bisherigen diskriminierenden Gebrauch emanzipatorisch wendete. Der queere Moment aber, so Mike, dauere seiner Einschätzung nach immer noch an. Die Gründe dafür sind zum einen, dass sich queere Theoriebildung nach wie vor als streitbar wie auch als lernfähig und wandelbar herausgestellt. Dafür markierte er im weiteren Verlauf einzelne Theorieströmungen wie etwa lesbisch-feministische Theorien, schwarzen und women-of-color-Feminismus, schwule Befreiungstheorien wie auch poststrukturalistische Perspektiven oder Politiktheorie in der Aids-Krise. Immer aber thematisiert er zugleich ihre Überschneidungen und gemeinsamen Anliegen. Der zweite Grund für die Aktualität des queeren Moments sind die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die laut Mike als vielfach krisenhaft anhalten oder wiederkehren. Der wichtigste Grund aber dürfte sein, dass die Wünsche und Möglichkeiten queerer (Befreiungs-)Theorien bisher nicht eingelöst wurden – ein queeres Leben und vor dort her gestaltbare Beziehungen zu Mitmenschen und Mitwelt ohne Angst vor Abwertung, Gewalt und Repression.
Im Vortrag wurde dann deutlich: Die Queer Studies können dabei helfen zu verstehen, dass das, was viele Menschen als das ‚Normale‘ oder ‚Allgemeine‘ wahrnehmen oder bezeichnen, eigentlich immer schon partikular war und ist. Dass dies für die sogenannte Mehrheitsgesellschaft unsichtbar bleibt, hat mit konkreten Machtverhältnissen zu tun, die etwa eine heterosexuelle, männliche und weiße Perspektive zur Norm erklären können. Diese Macht- und Herrschaftsverhältnisse gilt es zu analysieren und zu verändern. Insofern sind die Queer Studies immer auch Ausgangspunkt für emanzipatorische Bewegungen. Der Vortrag endete insofern konsequent mit Thesen zu queerer Theorie als einer Theorie der Befreiung – daher der Verweis auf den Wahlspruch „Stone wall was a riot!“ Denn im progressiven Neoliberalismus, so Mike, droht Queerness entweder vereinnahmt und zur Ware gemacht oder ins Private verschoben zu werden. Die herrschende Heteronormativität (u.a. das Darstellen von Heterosexualität als vermeintlich ‚natürliche‘ oder ‚richtige‘ Form der Sexualität) und die damit verbundene gesellschaftliche Marginalisierung, Ausgrenzung und Bedrohung bleiben dabei unangetastet. Sowohl im Vortrag als auch im Buch geht es Mike Laufenberg darum, internationale & intersektionale gesellschaftskritische Perspektiven auf das Thema zusammenzubringen. Denn einerseits werden im politischen Machtkampf immer wieder marginalisierte Gruppen gegeneinander ausgespielt. Und andererseits verändert die rechtliche Gleichstellung allein nicht unmittelbar eine queerfeindliche (Gewalt)Kultur. Queere Theorie müsse daher eine gesellschaftliche Transformation als Ganze ins Auge fassen.
Prof. Ina Kerner von der Universität Koblenz lud im Anschluss das Publikum zu Diskussion und Fragen ein. Die Gender- und vor allem die Queer Studies erfahren in den letzten Jahren verstärkte öffentliche Aufmerksamkeit, so Kerner. Einerseits sehen sie sich Angriffen von rechten und rechtspopulistischen Parteien und Akteur:innen ausgesetzt. Andererseits besteht unter jungen Menschen und Studierenden ein massives Interesse, sich mit Fragen von Geschlecht, geschlechtlicher Identität und Ungleichheit auseinanderzusetzen. Das zeigt sich nicht zuletzt an den über 100 eingeschriebenen Studierenden für die fachübergreifende Zusatzqualifikation Zertifikat Gender Studies. Und so zeigte sich rege Beteiligung mit Fragen an Mike etwa zur Übertragbarkeit queerer Theorie auf spezifische Situationen und Alltagspraxen. Am Büchertisch – kuratiert durch die Buchhandlung Heimes – konnten die Besucher:innen anschließend den Einführungsband erwerben oder signieren lassen.
Wir danken allen Organisator:innen sowie allen Besucher:innen, die vorbeigekommen sind und mitdiskutiert haben!