Rückblick Campustag 2023
Gesellschaft gestalten mitten in Koblenz
„Wie verrückt muss man sein, um eine Hochschule zu gründen?“ Diese Frage stellte Lina Zinkler, Studentin an der Hochschule für Gesellschaftsgestaltung ihrer Professorin Silja Graupe, zugleich Gründerin und Präsidentin der HfGG, im Rahmen eines Podiumsgesprächs auf dem diesjährigen CampusTag der Hochschule. Allein die Formulierung der Frage und der Rahmen, in dem sie gestellt wurde – das Gespräch fand auf Sitzsäcken statt, beide duzten sich – zeigten, dass an dieser Hochschule einiges anders läuft. „Es hat viel mehr mit uns und unserem Zutrauen zu tun als mit den von außen gegebenen Sachzwängen“, so Silja Graupe zur Verrücktheit, die es brauche, um ins Handeln zu kommen. ‚Verrückt‘ und geradezu verantwortungslos ginge es im Gegenteil an vielen großen Massenuniversitäten und Hochschulen zu, die noch immer vermeintlich feststehende Wissensbestände und jene ökonomischen Modelle vermittelten, die den gesellschaftlichen Krisen und der Unsicherheit der Welt immer weniger gerecht werden. An der HfGG nähmen sich Studierende und Professor:innen vielmehr als von den Krisen unserer Zeit gleichermaßen Betroffene wahr. Dies bilde die Grundlage dafür, jungen Menschen bei der Suche nach ihren persönlichen Gestaltungsideen zu helfen. Für Lina Zinkler sind es vor allem die Begegnung auf Augenhöhe, die Vermittlung von Orientierungswissen und das wirkliche Interesse an den individuellen Bildungsprozessen der Einzelnen, die das Verhältnis zwischen Dozierenden und Studierenden an der HfGG ausmachen.
„Gesellschaft gestalten“ war demnach auch das Motto des diesjährigen CampusTags der Hochschule für Gesellschaftsgestaltung, die am Samstag, 13. Mai 2023 ihre Türen öffnete und der interessierten Öffentlichkeit einen Einblick in ihre Studiengänge, Forschungsbereiche und Praxisprojekte gab. Fand der Tag der offenen Tür im letzten Jahr noch unter ihrem alten Namen Cusanus Hochschule statt, präsentierte sie sich nun mit neuem Namen, neuem Logo und neuen Farben. Das nahm auch Prof. Lars Hochmann in der Vorstellung des Masterstudiengangs Institutionsgestaltung auf: „Wir als Hochschule gehen den umgekehrten Weg: Nicht erst anderthalb Jahre Theorie und dann eine Masterarbeit. Wir arbeiten von Beginn an in konkreten Projekten und an realen Problemen, mit denen Institutionen heute ringen. Wir kommen keineswegs ohne Theorie aus, aber die Reflexion findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern hat einen konkreten Gegenstand, auf den sie sich bezieht. So stellen wir als Hochschule die third mission bewusst nach vorne, nämlich den Anspruch zur Mitgestaltung der Gesellschaft durch Forschung und Lehre.“
Impressionen
Unter bunten Upcycling-Girlanden wurde im Lichthof der HfGG im Koblenzer Dreikönigenhaus etwa mit Prof. Oliver Schlaudt über „Müll als Schattenseite der Wirtschaft“ philosophiert. Dort sowie im Bistro und den Seminarräumen fanden über den Tag mehr als 20 verschiedene Programmpunkte statt. Talkrunden, Workshops, Schnupperseminare, Poster-Sessions, Ausstellungen und interaktive Formate vermittelten einen Einblick in zentrale Themen der Lehre und Forschung der Hochschule: Nachhaltigkeit, plurale Ökonomik und ökonomische Bildung, Kulturwandel in und Transformation von Institutionen und Unternehmen, Macht- und Herrschaftskritik, Gerechtigkeits- und Verteilungs-fragen, Aktivismus, Sinnstiftung und politische Ökologie.
Im Mittelpunkt standen auch dieses Jahr wieder Beiträge von Studierenden. Diese organisierten unter anderem Workshops zu neuer ökonomischer Bildung an Schulen, zum Verhältnis von Politik und Natur oder zu kritischer Männlichkeit, präsentierten im Rahmen einer Transformationswerkstatt ihre laufenden Praxisprojekte und Gestaltungsideen, oder stellten sich in Q&A-Sessions den Fragen von Besucher:innen. Auch Studieninteressierte nutzen den CampusTag zum Kennenlernen der Hochschule und zur individuellen Studienberatung vor Ort.
Insgesamt vermittelte der Tag einen umfassenden Eindruck davon, was Gesellschaftsgestaltung bedeuten kann: Es geht nicht um einen alleingültigen Masterplan, sondern um vielgestaltiges Engagement zur Schaffung einer lebendigen und vielfältigen Natur, einer solidarischen und demokratischen Ge-sellschaft sowie einer gerechten und lebensdienlichen Wirtschaft, kurz: einer nachhaltigen Welt. Das wurde auch beim abschließenden Gespräch zwischen Prof. Daniela Gottschlich und zwei Studenten deutlich, die sich für Klimagerechtigkeit engagieren: Fernab von „Klimakleber-Bashing“ oder Weltuntergangsrhetorik setzten sich die Diskutant:innen und Zuhörer:innen in sachlicher Ernsthaftigkeit mit dem eigentlichen Problem der Klimakatastrophe auseinander.
Es bleibt zu hoffen, dass dieser inspirierende Tag als fester Programmpunkt seinen Weg in die Terminkalender vieler Menschen aus Koblenz und der Region, aber auch darüber hinaus, findet. Wir jedenfalls freuen uns schon auf das nächste Jahr!
Über den Campus Tag wurde auch in der Rheinzeitung berichtet (mit freundlicher Genehmigung der Rheinzeitung; Ausgabe Nr. 112 vom 15.05.23, S. 20).